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ZWINGER Galerie |
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10783 Berlin |
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Peter Duka
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Dr. SYNTAXX
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Opening: Friday, 2024, 6th September from 6 to 9 pm |
Exhibition: 7th September to 2nd November 2024 |
Opening hours: Tuesday to Saturday, 12 am to 6 pm |
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Klar, es geht auch um Landschaften. Die
Bilder von Peter Duka gelten in der Mehrzahl der Fälle als
Landschaftsbilder. Er „kommt aus der Landschaft“. Wie historisch
vereinbart, verfügen seine Gemälde über alles, was Landschaftsbilder
brauchen: Sie haben einen Vordergrund, einen Mittelgrund, einen
Hintergrund. Ebenen. Linearperspektive etc. brauchen sie nicht, eine
Linie, etwas Horizontartiges reicht. Die Bilder haben außerdem Boden
oder meinetwegen Grund, eine Vegetation mit oder ohne Menschen oder
Tiere, einen Himmel mit oder ohne Wolken. Licht und Wasser, auch
Spiegelungen. Obwohl das Querformat englisch „landscape format“ heißt,
sind Dukas Landschaften in dieser Ausstellung hochformatig, also eher
„portrait format“. Also Landschaften wie Spiegel, so dass die
Landschaftsteile manchmal fast „menschlich“ wirken, wie ein innerer
Horizont? Was hinter den Bildern ist? Also da regt mich schon die Frage
auf. Fragt euch lieber, was davor passiert ist!
In Peter Dukas neuem Atelier war im letzten Jahr weit mehr los als je
zuvor – nicht nur, weil etwas mehr Platz da war. Man konnte ihn dort
gegen Mittag antreffen, umstellt von einer Batterie Leinwände, fast
alle im selben Format, hundert mal achtzig. Und dann die ganzen Leute.
Wer solche Assistent*innen hat, wer braucht da noch Kritiker*innen?
Allen voran Doktor Syntax, pikaresker Forschungsleiter der
experimentellen Bildabteilung, sein tief im 18. Jahrhundert#A1
verwurzelter kunstwissenschaftlicher Assi, immer noch und immer wieder
„auf der Suche nach dem Pittoresken“. Von ihm stammt wohl die Idee mit
den gleichformatigen Leinwänden – das soll helfen, in den Bildern Ross
und Reiter (und Mähne und Kandare und Stall und Reise) zu trennen.
Gemeint sind Kausalzusammenhänge und Wirkungsweisen unterschiedlicher
Einflussgrößen im Malerischen, in der Experimentalreihe, dem methodisch
angelegten Versuch zur empirischen Gewinnung von Information, zur
Klärung von Vorgängen und Umständen, zur Bestätigung von Theorien, als
Grundlage neuer Erkenntnisse. Doktor Syntax, der Assi, der seinem
wichtig klingenden Namen neuerdings ein zweites „x“ aufmultipliziert
hat, Richtung Hardcore wahrscheinlich, hat auch einen tolpatschigen
Hiwi: Mr. Clutter, dem im Bild alles Poststrukturelle, alles nicht oder
nicht mehr Figurative überlassen ist. Sein Problem: der Doktor hat ihm
erzählt, seine Arbeit habe „linkisch“ zu sein, unvordenklich,
unvereinbar, wie eine gegenstandlose Tarantel auf einer
romantisch-satten Inmitten-Sachertorte. Kurz gesagt, er hat gelernt,
sich zu misstrauen, obwohl er naiv sein müsste. Massives
Unschuldsproblem. Peter Duka und Doktor Syntaxx reden öfter in einem
Ton mit ihm, den man bei Kindern anschlägt.
Duka versucht nach Kräften, mit den beiden zusammenzuarbeiten, denn sie
sind, für sich gesehen, weit mehr als nur Hilfskräfte, eher
jahrzehntelang auf Exzellenz getrimmte Spezialisten. Die aus der
Bratpfanne in die Gasflammen springen, die im Laufe der Zeit immer mehr
über immer weniger wissen, bis sie alles über nichts wissen. Jeder von
ihnen hat seinen eigenen Kopf und seine eigenen Hände, und natürlich
weiß Peter Duka auch, dass die Leser*innen von Robert Louis Stevenson
erst im 9. Kapitel erfahren, genau wie sich Doctor Jekyll und Mr. Hyde
eigentlich zueinander verhalten. Er weiß, dass sich sein (inneres)
Atelier jenseits von Syntaxx und Clutter über die Jahrzehnte mit zig
hochqualifizierten Spezialkräften – zum Romantischen, zum
Erhabenen, zur Karikatur, zur Anthropomorphie, zum Idyll, zur Farce,
zum Naturschönen, zur Ekstase, zum Nichts, zur Cultural History X – so
pickepackedicht gefüllt hat, dass man für eine „flatness“ der
Malerei – so es sie denn gibt – von Herzen dankbar sein
dürfte. Neben dem sauberen Doktor und der leicht zu beeinflussenden
Schlierenschleuder Clutter addieren nun seit einiger Zeit ein paar der
Dauergäste im Atelier zur Geschichte des Künstlichen die Geschichte der
Künstlichen Intelligenz. Und die einst Schritt für Schritt alla prima
taxierte malerische Produktion mit ihren ehrlichen und versteckten
Korrekturen explodiert inzwischen auf Dukas digitalen Tablet in tausend
Richtungen der unendlichen Reversibilität, Apfel-X, Apfel-Z sozusagen –
da soll das „spezifisch Malerische“ nicht drunter leiden? Wie uns das
Vermeintlich Neue Erhabene des Digitalen zurzeit und wer weiß wie lange
noch desorientiert und tipsy macht, ist Dukas Malerei nicht nur auf
irgendeiner symbolischen Ebene den Unbilden der postmalerischen
Wirklichkeit ausgesetzt. Die Spezialist*innen streiten sich, das
Problem Malerei bleibt. Und die Landschaft, einst aufklärerisches
Powertool der Weltergreifung, ist die Armlänge des Malers, der leere
Raum vor seinem Kopf, der nicht einfach mit irgendwas gefüllt werden
kann, obwohl Irgendwas in Legion gleich außerhalb des Gesichtsfelds
drängelt und rein will.
Mitunter schon ungnädig – das Digitale etwa muss erst mal draußen
bleiben (bleibt aber daheim genährte liaison dangereuse) –, empfängt
Duka all diese komplizierenden Komplizen doch höflich und
pflichtbewusst in seinem Atelier. Er will sie sehen und mit ihnen
Umgang haben, so gut wie möglich. Mehr noch als der
poststrukturalistische Doktor Syntaxx, der das „Bild im Bild“ und den
„Abgrund im Abgrund“ will, der mit dem Verschwinden und
Wiederauftauchen des Figurativen, des bildnerischen und gebildeten
Subjekts inmitten der randomness von Mr. Clutters Chaos-Lingo sucht,
das abwechselnd nach inniger Zuwendung ruft oder einem anscheinend
voller Verachtung eine liberale Menge bunter Farbe ins Ponem
katapultiert – mehr noch als das will er (auch auf seinem
Instachannel) unbedingt wissen, was von dieser notwendig großen
Menschenmenge nach draußen dringt, wie es wann auf wen wirkt, was unter
all den spezialist*innengenährten, aber auch seinen eigensten
Wissensdepots an Ebenen, Formen und Handgriffen wirklich für euch
sichtbar und spürbar wird. Die Leute zwischen ihm und den Bildern: eine
quecksilberhafte Gemengelage, die Bilder: ein immer hinreißendes,
mitunter sattes, mitunter fadenscheiniges Geschichte an den Rändern des
Malerischen, das ihm tageweise das Äußerste an Frustrationstoleranz
abverlangt. Sie sind alle da, keiner führt ihm die Hand. Was kann ich
dafür, O Erde voller Dornen, dass ich ein Einhorn bin.#A2
Clemens Krümmel
Anmerkungen
1 William Combe (1742–1823), „The Tour of Dr Syntax in Search of the
Picturesque, a Poem“, London1809ff., erste von drei „tours“,
geschrieben auf der Grundlage von Thomas Rowlandsons (1757–1827) 31
großartigen Illlustrationen. Online lesbar unter
https://publicdomainreview.org/collection/dr-syntax/ – Deutsche
Ausgabe: „Die Reisen des Doktor Syntax. Hg. von Wolf-Dieter Bach, mit
einem Beitrag von Norbert Miller und Karl Riha, München 1983.
2 Julio Cortázar, “Der unnötige Schutz”, aus dem Spanischen v. Rudolf
Wittkopf, in: ders., Letzte Runde, Frankfurt am Main 1984, S. 136,
orig. „La protección inutil“ (1969).
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Blick in die Ausstellung |
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