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ZWINGER
Galerie |
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10783 Berlin |
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Peter Duka
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CRYPT |
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Opening: Friday, 2021, 3rd September
from 6 to 9 pm |
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Exhibition: 4. September
to 11. December 2021 |
Opening hours: Tuesday to
Saturday, 12 am to 6 pm |
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Why Dreispitz
now?
Einsame Figuren, deren Ausstattung mit Dreispitz, Frack und
Kniebundhosen auf die Zeit um 1800 hinweist, streunen schon seit
längerem durch das malerische und zeichnerische Werk von Peter Duka.
Diese Zeit, die Wende von der mehr oder (meist) weniger revolutionär
beendeten feudalen zur bürgerlichen und kapitalistischen Welt,
produziert ein grandioses Environment für Streuner. Nicht von Ungefähr
fällt in diese Zeit, dass die Kunst die historische Schwelle zur
Moderne nimmt. Wird sie – im noch höfisch geprägten Klassizismus –
zuerst konzeptuell und international, wandelt sie sich zu einer
bürgerlichen, nationalen und, über diesen turn, tatsächlich, zur
zeitgenössischen. Was lange literarisch vorbereitet war, durch Bunyans
Pilger, Fieldings Tom Jones, den empfindsam reisenden Yorick usf.,
streift nun tatsächlich durch eine vergrößerte Welt, deren neue
territorialen und im individuellen Inneren frei gelegten Weiten es zu
erkunden gilt. Nicht immer freiwillig. Seume muss, als
zwangsverpflichteter Kriegsknecht an die amerikanisch-kanadische
Grenze, weil er nach Paris will, um später, einfach so, nach Syrakus zu
spazieren. Casanova kann eh nur, wozu es ihn treibt. Hölderlin darf
endlich nach Bordeaux abreisen, Startschuss für ein Leben auf eigenen
Füßen. Der Trip bekommt ihm nicht, gibt der Literatur der Zeit aber
einen wirkungsmächtigen Schub. Ein Toussaint-Louverture, Held der
haitianischen Revolution, mochte sich viel vorstellen können – aber
auch, dass er ausgerechnet in der malerischen Öde des französischen
Jura elend in einem Festungskerker verrecken würde?
Die Wende um 1800 schließt eine weitere Transformation ein, die sich
freilich erst im Nachhinein vermessen lässt: aus der Aufklärung im
Schwellen- oder Epochensinn wird, neu formatiert durch die Romantik,
deren früher Vollzug von der späteren Verwertung scharf zu trennen
wäre, ein, selbstredend unabschließbares, „Projekt“ während sich die
„Erfahrungseelen-kunde“ als eigene Disziplin ausgliedert.
Keine Frage, die Zeit um 1800 ist aus ereignis- und
ideengeschichtlicher Perspektive attraktiv anzuschauen. Aber ob das als
Motivation dafür ausreicht, sie im Rahmen eines künstlerischen Werks,
allerdings in Ausschnitten und Partikeln, wieder und wieder zum
Aufscheinen, zur Revision zu bringen?
Tatsächlich weist Dukas Werk jede Menge konkret historischer oder
unbestimmt historistischer Referenzen auf, die auf die Wendezeit
zwischen Klassizismus/Aufklärung und Romantik deuten. Das betrifft
nicht nur die Veröffentlichungsform, wie Duka seine Arbeiten zu
Ausstellungen gruppiert, betitelt und kontextualisiert – etwa durch die
Einführung der (historischen) Figur des Inspecteur Louis Marais als
fiktiver Protagonist und referenziell-intertextuell anwendbares
Scharnier zwischen den Arbeiten, die in einer früheren Schau
zusammengefasst waren. Dabei beschränkt sich Duka auch nicht auf den
Motivfundus, den er, mit einiger Obsession, wiederholt in verschiedenen
Bildtypen – Porträts und Selbstporträts, Allegorien und Fantasiestücke
sowie Genreszenen – variantenreich und von Zeichnungen und neuerdings
digital auf dem Pad ausgeführten Arbeiten flankiert durchspielt. Das
Kolorit und der Duktus des Histori(sti)schen durchzieht bei aller,
mutwilliger Heterogenität seiner Arbeiten und ihrer sorgfältig
erarbeiteten looseness selbst noch die Malweise, die mir in letzter
Zeit zudem aber offener, brüchiger zu werden scheint. Gleichwohl könnte
der Eindruck entstehen, Duka ziele darauf, dieses Werk als Zone des
Anachronistischen und jedenfalls auf Abstand zur Gegenwart – vielleicht
auch der zeitgenössischen Kunst – zu halten. Auf Anhieb ist nicht zu
entscheiden, ob es sich dabei um ein nicht zu unterdrückendes Faible,
die Kultivierung einer Künstlerattitüde oder, kein automatischer
Widerspruch zum Vorgenannten, um einen konzeptuellen move handelt.
(Letzterer würde sein Werk jedenfalls an den, allerdings nicht mehr
taufrischen, Diskurs einer unter die Vorzeichen des Konzeptuellen
gebrachte Malerei anschließen, der ihr ihre Rückkehr in den ansonsten
bekanntlich nicht allzu exklusiven Kreis „zeitgemäßer“ künstlerischer
Medien und Darstellungsformen erwirkt hätte. Jedenfalls malt es sich –
anders als noch vor zwanzig Jahren – heute völlig ungeniert, und mit
Blick auf den Ausstellungsbetrieb einer ihrerseits kleiner und
synchroner, und alles in allem seltsam unbekannt gewordenen Welt
scheint keine Konvention zu konventionell zu sein, um nicht mit guten
Aussichten auf kunstbetriebliche Verwertung daran anzuschließen. Man
kann es durchaus als Problem empfinden, wenn der Kanon einerseits zwar
als erledigt gilt, andererseits aber zur Konvention regrediert
unausgesprochen weiterwirken darf.) Egal ob move, Marotte oder Maske,
der Künstler überzieht sogar sich selbst mit historistischem Kolorit,
wenn er in seinen häufigen Selbstporträts gerne auch mal Dreispitz
trägt. Dies allerdings, als Anachronismus im Anachronistischen, zur
dick gerahmten Brille als auch im echten Leben genutzte Sehhilfe, die
auch das 21. Jahrhundert noch nicht überflüssig gemacht hat.
Nun also eine ganze Ausstellung mit Streunern, unterwegs in Ideal- und
Fantasie- oder, wenigstens, „malerischen“ Landschaften. Das alles
ominös überschrieben mit dem Titel CRYPT. Nun wäre Duka nicht der
erste, der „Obsession“ mit „Produktion“ kaschiert und selbst Picasso,
der moderne „Klassiker“, hat zwar immer neue Bilder aber letztlich nie
ein „neues Bild“ gemalt. Der Fingerzeig aufs Rätselhafte und Verborgene
könnte – wie einst die Referenz auf den Inspecteur Marais – also als
Schlüssel zu den Bildern, aber auch ganz anders und generell, als
Hinweis auf Verschlüsselungstechniken gemeint sein. „Ich will es nicht
wissen“, sprach einst Kleists Marquise von O…. Unversteckt und ohne
weiteres zu sehen ist dagegen, dass die in CRYPT versammelten Bilder
einem Szenario folgen, konstruiert aus Figur, Umgebung und Malerei. Wie
weit nun die einzelnen Varianten über dieses Thema auseinanderklaffen
mögen – und das Plaisir an ihnen buchstäblich über dieser Kluft hängt
–, empfehlen sie sich qua Ausstellungsverdichtung dennoch als
regelrechtes Genre. Nicht, dass das nicht auch die Perspektive
verrücken würde, die sich damit zwangsläufig vom „Was“ aufs „Wie“
richtet und dazu anstiftet, statt der Dinge die Differenzen, die
Konstruktion der Bilder in den Blick zu nehmen. Wenn Berg, Baum,
Himmel, Weite samt dem unvermeidlichen Dreispitztyp sich aber genauso
gut als Klecks, Strich, Schliere, Wischer und alles zusammen benennen
lassen, die Kunstmittel somit an die Stelle der Kunst getreten wären,
dann käme Dukas Verschlüsselungsangebot wieder gerade rechtzeitig. Die
aktuelle Konjunktur der Malerei mit Hilfe einer generellen „Liebe zur
Malerei“ (Isabell Graw) zu deuten, würde vitalistischem Wunschdenken
allzu viel Leine lassen. Dann halten wir uns besser nicht an den
Zweifler Thomas, der „begreifen“ darf, was er dennoch nicht verstehen
kann und dementsprechend glauben muss, sondern leben mit dem einen oder
anderen ungelösten Rätsel im Marschgepäck so interessant es damit eben
geht.
Hans-Jürgen Hafner |
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O.T, 10.11.2020 - 60 x 50 cm |
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o.T., 9.8.2021 - 50 x 40 cm |
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o.T., 19.1.2021 - 60 x 50 cm |
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o.T., 19.8.2021 - 100 x 80 cm -
Inkjet Auflage 5+1 |
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o.T., 8.2.2021 - 60 x 50 cm |
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o.T., 30.7.2021 - 100 x 80 cm |
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o.T., 8.7.2021 - 50 x 60cm |
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